Kontrollillusion
Der Glaube Vorgänge kontrollieren zu können, die objektiv nicht kontrollierbar sind
Die Kontrollillusion ist ein grundlegendes menschliches psychologisches Phänomen, das dazu führt zu glauben, Vorgänge kontrollieren zu können, die objektiv nicht kontrollierbar sind. Die Kontrollillusion ist weit verbreitet und in allen Lebensbereichen von Bedeutung. Da sie unbewusst auftritt, ist sie der bewussten Kontrolle schwer zugänglich. 1
Es handelt sich dabei um einen psychologischen Mechanismus, der insbesondere dann zum Einsatz kommt, wenn der Mensch in Situationen kommt, in denen er eigentlich wenig oder keine Kontrolle über die Entwicklung der Ereignisse hat. In Folge der Kontrollillusion entsteht dann der subjektive Eindruck eines selbstbestimmten Handelns und das eigene „Ich“ wird stabilisiert. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Selbst wenn die Kontrolle nur auf einer Illusion beruht, vermittelt sie doch das Gefühl von Sicherheit.
Typische Beispiele einer Kontrollillusion in der Medizin ist das Auftreten des Plazeboeffekts oder aber auch von Aberglaube und pseudowissenschaftlichen Krankheitsmodellen. Der psychologische Hintergrund ist, dass dieser Glaube an einen Zusammenhang oder ein Erklärungsmodell bei der Krankheits- und Symptombewältigung hilft.
Das Ausmaß der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Kontrollillusion ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Grundlegende Voraussetzung ist „der Wille ein bestimmtes Ziel zu erreichen“ und „die wahrgenommene Verbindung zwischen Ergebnis und eigener Handlung“.
Diese Faktoren werden moduliert durch die Stimmungslage (depressive Stimmung führt eher zu weniger Kontrollillusion), Vertrautheit (je vertrauter die Situation, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten), die Involviertheit (je größer die Involviertheit, umso größer die Wahrscheinlichkeit), das Ausmaß der Wettbewerbssituation und die Einschätzung des Gegners sowie das Vorwissen. Weiterhin soll es insbesondere bei einer „planenden Bewusstseinslage“ eher zu einer Kontrollillusion kommen, während eine „abwägende Bewusstseinslage“ deren Auftreten eher vermeiden kann. Auch wenn sich eine Person als Verursacher eines bestimmten Phänomens fühlt, kommt es eher zur Kontrollillusion.
Da im medizinischen Alltag alle oben genannten Faktoren auftreten, unterliegen auch Ärzte ständig der Gefahr einer Kontrollillusion in Bezug auf die gewählten diagnostischen Einschätzungen und die daraus abgeleiteten therapeutischen Maßnahmen. Dadurch haben sich über die Zeit viele Behandlungen etabliert, die auf den ersten Blick wirksam erscheinen, aber bei genauer Analyse keinen Therapieeffekt haben, oder es werden bei komplexen Krankheitszuständen erreichte Verbesserungen in ihrer Kausalität fehlinterpretiert.
Auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der selbstkritischen Kontrolle von medizinischen Maßnahmen hat David Casarett in seinem Artikel: „The Science of Choosing Wisely – Overcoming the Therapeutic Illusion“ im New England Journal of Medicine hingewiesen. 2
- Monika Ebert: Kontrollillusion und Leistungsmotiv (Inauguraldissertation) urn:nbn:de:hbz:468-20141024-112131-7
- David Casarett, M.D.: The Science of Choosing Wisely – Overcoming the Therapeutic Illusion; NEJM 2016; 374: 1203 – 1205