Korruptionsrisiken
Pharmaindustrie misstraut den Ärzten und sich selbst
Hätten Sie das erwartet? Zwei Drittel der deutschen Arzneimittelhersteller wünschen sich eine Regelung, mit der Korruption niedergelassener Ärzte unter Strafe gestellt wird.1 Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers befragte 50 Pharmaunternehmen und kommt zu der Schlussfolgerung, dass „gerade die Pharmabranche einem erhöhten Korruptionsrisiko ausgesetzt“ sei, jedoch werde „der Bekämpfung von Korruption im Vergleich zu anderen Branchen weniger Aufmerksamkeit gewidmet“. So habe nur jedes dritte Pharmaunternehmen (36 Prozent) ein Antikorruptionsprogramm vorzuweisen, also etwa eine Hotline oder einen Beauftragten. Branchenübergreifend liege der Schnitt bei 59 Prozent.
Interessant ist die Einschätzung der Unternehmen zu den Korruptions-anfälligen Formen der Zusammenarbeit mit Ärzten. Spitzenreiter sind Anwendungsbeobachtungen, Advisory boards und Vortragshonorare bei gesponserten Fortbildungen, die jeweils von 62 bis 77% der Firmen für riskant gehalten werden. Die passive Teilnahme an gesponserten Fortbildungen bewerten noch 40% als konfliktträchtig.
Bei diesen Aktivitäten handelt es sich nicht um Korruption im strafrechtlichen Sinne, da kein pflichtverletzendes Verhalten als Gegenleistung gefordert wird. Lediglich bei Anwendungsbeobachtungen verleitet die überhöhte Vergütung ziemlich direkt dazu, ein teures neues Medikament ungerechtfertigt zu verordnen. Vielmehr geht es um die Graubereiche der Einflussnahme, die wahrscheinlich nie gesetzlich geregelt werden. Hier ist eher die professionelle Selbstregulierung durch Ärztekammern und Fachgesellschaften gefordert.
Wie kommt es, dass sich der Bewusstseinswandel in der Pharmaindustrie offenbar schneller vollzieht als in der Ärzteschaft?
- Pharmafirmen beklagen Korruption. Tagesspiegel, 16.04.13