Unabhängige Fortbildung organisieren

Wer auf Industrie-gesponserte Fortbildung in der Klinik oder Praxis verzichten will, muss die Sache selbst in die Hand nehmen. Dazu braucht es organisatorisches Know-how und schlaue Ideen, um die Kosten im Griff zu behalten und eine gelungene Veranstaltung sicher zu stellen.

Aus den zahlreichen Rückmeldungen der „Ideenschmiede“ haben wir diesen Leitfaden für die Planung und Organisation unabhängiger Fortbildung erstellt. Wir hoffen, mit unserer Hilfestellung viele unabhängige Köpfe zu ermuntern, selbst aktiv zu werden und dem gängigen Schema gesponserter Fortbildung etwas entgegen zu setzen.

Allgemeines zur Vorbereitung

  • Zeitrahmen: Beginnen Sie zeitig genug mit der Vorbereitung, bei größeren Veranstaltungen 6-12 Monate, bei kleinere Abendveranstaltungen wenigstens 3 Monate im Voraus.
  • Legen Sie Themenauswahl und inhaltliche Ausrichtung frühzeitig fest.
  • Welches Veranstaltungsformat möchten Sie wählen (z.B. Vortrag mit Diskussion, Seminar mit praktischen Übungen)?
  • Welchen zeitlichen Rahmen wollen Sie einplanen (Abendveranstaltung, Wochenendseminar …)?
  • Wer kann bei der Vorbereitung der Veranstaltung helfen? Weisen Sie frühzeitig konkrete Verantwortlichkeiten zu.
  • Legen Sie die Zielgruppe fest (das ist auch für die gezielte Werbung relevant).
  • Auf wie viele Teilnehmer soll die Veranstaltung ausgerichtet werden?
  • Machen Sie eine erste Kostenkalkulation. Welche Kosten fallen an, welche Mittel stehen über Fortbildungsetats zur Verfügung, welcher Betrag muss über Teilnahmegebühren eingenommen werden?
  • Welche geeigneten Referenten können Sie für Ihre Veranstaltung anfragen?
  • Wählen Sie einen geeigneten Veranstaltungsort, kümmern Sie sich frühzeitig um die Buchung.
  • Der technische Bedarf muss geplant werden.
  • Vorbereitung geeigneter Medien (Powerpoint-Präsentationen, Handout).
  • Welche Verpflegung wollen Sie zur Verfügung stellen?
  • Überlegen Sie, wie Sie kostengünstig und dennoch möglichst effektiv und zielgruppenorientiert für Ihre Veranstaltung werben können. Vorher weitgehend abgeschlossene Erstellung eines Veranstaltungsprogramms.
  • Die Beantragung von CME-Punkten, verbunden mit der offiziellen Anmeldung, muss vor der Veranstaltung bei der regionalen Ärztekammer erfolgen.
  • Wollen Sie eine Lernerfolgskontrolle durchführen? Die Evaluation einer Veranstaltung ist Pflicht, um eine CME-Akkreditierung zu erhalten.
  • Werden Übernachtungsmöglichkeiten für Teilnehmer und Referenten benötigt?
  • Wollen Sie ein Rahmenprogramm einplanen (meist nur bei mehrtägigen Veranstaltungen sinnvoll)?
  • Hier finden Sie eine Checkliste zur Planung Ihrer Veranstaltung.

Inhaltliche Ausrichtung

  • Welche Aspekte Ihres Themas sind für die Teilnehmer wirklich interessant.
  • Kontrovers oder bislang wenig diskutierte Inhalte sind attraktiv. Praxisrelevantes kommt gut an. Bringen Sie dies prägnant in Ihr Veranstaltungsprogramm und die Werbung ein.
  • Wissen Sie von besonderen Problemen oder offenen Fragen zu Ihrem gewählten Thema unter bekannten Kollegen?
  • Achten Sie darauf, Ihre Veranstaltung inhaltlich nicht zu überfrachten.
  • Halten Sie Ihre Überlegungen schriftlich fest und erstellen Sie daraus nach und nach Ihr Veranstaltungsprogramm.

Veranstaltungsformate

  • Die Empfehlungen zur ärztlichen Fortbildung der Bundesärztekammer schlüsseln detailliert auf, welche Fortbildungsformate für die CME-Akkreditierung zulässig sind. Hier können Sie bereits Anregungen zur Auswahl des Formates erhalten.
  • Klassisch, aber etwas langweilig ist der Vortrag mit anschließender Diskussion.
  • Wesentlich anregender sind oft praktische Einweisungen und Übungen. Planen Sie diese (auch personell) so, dass tatsächlich auch alle Teilnehmer einbezogen werden können.
  • Interaktive Formate lockern eine Veranstaltung auf (Falldiskussionen in Kleingruppen, Diagnosequiz usw.).

Helfer und Verantwortlichkeiten

  • Weisen Sie schon mit Beginn der Planung konkrete Verantwortlichkeiten zu.
  • Für die Anmeldung der Veranstaltung müssen Sie einen Veranstalter und einen wissenschaftlichen Leiter benennen.
  • Sie sollten einen oder mehrere Helfer für die vielen kleinen Dinge in Bereitschaft haben (vom Stühle rücken bis Kaffee kochen), damit Sie sich am Veranstaltungstag nicht unnötig damit belasten müssen.

Teilnehmer

  • Ist die Zielgruppe klar definiert?
  • Ist eine Begrenzung der Teilnehmerzahl notwendig? Geben Sie dies dann in Ihrem Veranstaltungsprogramm an.
  • Die Kalkulation der Teilnehmerzahl ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Folgende Möglichkeiten können Ihnen helfen, Ihre Planung verlässlicher zu machen:
    • Aufforderung zur verbindlichen Anmeldung in der Einladung. Die „Dropout-Rate“ bei diesem Vorgehen liegt erfahrungsgemäß bei unter 20%. Diese wird aber meist durch unangemeldete Gäste wieder ausgeglichen.
    • Vorabüberweisung der Teilnahmegebühr als Voraussetzung für die Teilnahme. Dies ist insbesondere für Fortbildungen mit größerem Aufwand zu empfehlen.

Kostenkalkulation

  • Welche Mittel stehen über einen Fortbildungsetat oder ähnliches zur Verfügung?
  • Unser Ziel ist unabhängige Fortbildung. Das schließt aber nicht aus, dass Sie sich über Fördermöglichkeiten informieren, z.B. über medizinische Fachgesellschaften oder die regionale Ärztekammer. Wägen Sie jedoch bei jeder Form von Förderung ab, ob Sie in Interessenkonflikte verwickelt werden könnten (Beispiel: Förderung einer Veranstaltung über die Indikation zur Wirbelsäulenchirurgie durch eine orthopädische Klinik mit Schwerpunkt Wirbelsäulenchirurgie).
  • Kosten können anfallen für:
    • Veranstaltungsraum
    • Referentenhonorar, ggf. Reisekostenerstattung und Unterkunft
    • Anmeldung von CME-Punkten (Gebühren abhängig von Umfang der Veranstaltung, Erhebung von Teilnahmegebühren, Sponsoring [entfällt hier])
    • Ausleihen von technischen Hilfsmitteln
    • Werbung
    • Handout und andere Materialien für die Teilnehmer
    • Verpflegung
    • Evtl. Honorierung von Helfern
  • Es ist legitim, einen Referenten zu fragen, ob er ein Honorar verlangt oder darauf verzichtet. Insbesondere auf regionaler Ebene ist ein Verzicht auf ein Honorar oft angemessen. Ein kleines Geschenk für den Vortragenden ist dann eine schöne Geste.
  • Andererseits ist eine Honorierung von Referenten legitim, insbesondere wenn der Referent anreisen muss. Richtschnur: Je nach Aufwand 200-500 Euro plus Fahrtkostenerstattung (2. Klasse Zug oder Kilometerpauschale 20 Cent/km), plus Übernachtung.
  • Teilnehmer sollen für gute Fortbildung zahlen. Sie nehmen eine Dienstleistung in Anspruch, die andere viel Mühe und auch finanziellen Aufwand kostet. Wenn das Sponsoring nicht die Gewinne der Pharmaunternehmen erhöhen würde, gäbe es keine kostenlosen medizinischen Fortbildungen! Richtschnur: 10 Euro pro CME-Punkt und Teilnehmer, ggf. bei aufwendigeren Veranstaltungen nach oben anzupassen.
  • Gestaffelte Gebühren (Studenten, Assistenzärzte, Fachärzte) sollten zumindest für größere Fortbildungen mit höheren Teilnahmegebühren angeboten werden.
  • Fortbildungskosten sind für die Teilnehmer im Übrigen steuerlich absetzbar. Bei Barzahlung einer Teilnahmegebühr müssen Sie dafür eine Quittung aushändigen.
  • Dokumentieren Sie Ihre Ausgaben und Einnahmen, bewahren Sie Belege auf.
  • Hier finden sie eine Checkliste zur Kostenkalkulation

Referenten

  • Referenten sollten nur zu Themen sprechen, bei denen sie keine Interessenkonflikte haben.
  • Ein Vorschlag für die inhaltliche Unabhängigkeit von Fortbildungsveranstaltungen wurde vom Fachausschuss für Transparenz und Unabhängigkeit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft erarbeitet. (https://www.akdae.de/Fortbildung/Regeln.pdf)
  • Referenten ohne Interessenkonflikte findet man am besten in der „zweiten Reihe“, z.B. Chefärzte in Versorgungskrankenhäusern, Oberärzte in Unikliniken und anderen Krankenhäusern. Die „Meinungsführer“ mit vielfältigen Industriebeziehungen drängen sich in der „ersten Reihe“.

Veranstaltungsort

  • Hotels und kommerzielle Event-Locations sind teuer und daher kaum geeignet. Es ist unseres Erachtens auch entbehrlich, medizinische Fortbildung in einem exklusiven Rahmen zu veranstalten.
  • Meist kostenlos sind Veranstaltungsräume in Krankenhäusern oder Wartezimmer in größeren ärztlichen oder therapeutischen Praxen.
  • Günstig sind auch Räume in Kirchengemeinden, Schulen, Hochschulen, Bibliotheken, Museen und öffentlichen Einrichtungen. Auch manche soziale Träger haben Seminarräume zur Verfügung.
  • Auch eine Anfrage bei der regionalen Ärztekammer kann sich lohnen.

Technischer Bedarf

  • Stimmen Sie mit dem Veranstaltungsort ab, welche technischen Voraussetzungen vorhanden sind und was Sie anderweitig besorgen müssen. Beachten Sie auch spezielle technische Belange wie Kabelanschlüsse (die Beamer-Ausgangsbuchsen von Apple und Microsoft sind z.B. nicht kompatibel).
  • Grundbedarf: Beamer, Projektionsfläche, Laserpointer, in größeren Räumen Tonanlage
  • Untersuchungsgeräte und -liegen für praktische Übungen
  • Halten Sie für „sponsoringverwöhnte“ Teilnehmer werbefreies Papier und Schreibutensilien bereit. Das soll nicht heißen, dass sie für jeden etwas auslegen müssen, aber bei Bedarf sollte es vorhanden sein.

Medien

  • Referenten sorgen in der Regel selbst für ihre Präsentationsmedien. Stimmen Sie sich mit jedem Referenten persönlich ab, ob spezieller Bedarf besteht.
  • Testen Sie rechtzeitig vor der Veranstaltung, ob alle Medien kompatibel sind (Abspielen von Videos etc.).
  • Handouts können in gedruckter Form angeboten werden. Einfach ist die Handoutfunktion von Microsoft-Powerpoint, mit der man die wichtigsten Folien komprimiert ausdrucken kann. Besonders kostengünstig ist es, das Handout als PDF-Datei zum Download zur Verfügung zu stellen. Mitteilung des Links (ggf. mit Password) an die Teilnehmer während der Veranstaltung.

Verpflegung

  • Insbesondere bei längeren Veranstaltungen soll niemand dürsten und hungern. Verpflegungspausen können auch durchaus für angeregteren Austausch sorgen, als die übliche Diskussion nach einem Vortrag. Es ist aber auch keine Fünf-Sterne-Küche notwendig (und auch nicht angebracht).
  • Kommerzielle Cateringunternehmen u.ä. sind teuer.
  • Oft bietet ihr Veranstaltungsort einen günstigen Service an (z.B. die Krankenhausküche) oder es gibt Angebote in der näheren Umgebung, was Ihren Teilnehmern gleich ein wenig Bewegung verschafft (z.B. Gastroservice in öffentlichen Einrichtungen).
  • Cateringunternehmen in sozialer Trägerschaft sind oft auch günstig.
  • Man kann auch belegte Brötchen, Kuchen etc. beim Bäcker bestellen, Getränke im Getränkemarkt kaufen.
  • Einfache Dinge für kleinere Fortbildungen sind auch leicht selbst gemacht (Kuchen, Kräuterquark mit Brezeln, Gemüsesticks mit Dip …), Kaffeemaschinen gibt’s überall, und Angestellte Ihrer Einrichtung können helfen (damit kann es durchaus auch netter und familiärer werden).

Werbung

  • Preiswerte Variante:
    Emails gezielt mit angefügtem Programm versenden. Es ist hilfreich, wenn Sie bei Veranstaltungen mit ausgelegten Listen („Möchten Sie über weitere Fortbildungsangebote informiert werden?“) einen Email-Verteiler aufbauen.
  • Ergänzend Veröffentlichung des Programms auf Ihrer Homepage.
  • Gezielte „Mundpropaganda“ (was fällt leichter zu ignorieren, ein Faltblatt im täglichen Berg an dienstlicher Korrespondenz oder die persönliche Einladung eines netten Kollegen?)
  • Auf anderen Veranstaltungen Hinweise einbringen.
  • Überlegen Sie, ob es sich für Ihre Veranstaltung lohnt, Werbung im Papierformat zu erstellen und zu versenden, kalkulieren Sie Versandgebühren mit ein.
  • Sparen Sie Extra-Versandkosten, indem Sie Einladungen zu Ihrer sonstigen Korrespondenz (Versand von Arztbriefen u.ä.) beilegen.
  • Angemeldete Veranstaltungen werden auf jeden Fall online über die zertifizierende Ärztekammer im Veranstaltungskalender bekannt gegeben. Die Veröffentlichung im Landesärzteblatt wird regional unterschiedlich gehandhabt.
  • Gelungenes Layout des Programms und neugierig machende Titel sichern Ihnen zahlreiche Besucher.
  • Für die Anerkennung von CME-Punkten müssen Sie ein Programm erstellen (müssen dies aber nicht zwingend auf Papier drucken).

Anmeldung, Akkreditierung und administrativer Rahmen

  • CME-Punkte müssen zusammen mit einer entsprechenden Anmeldung der Veranstaltung rechtzeitig vor einer Fortbildung bei der regionalen Ärztekammer beantragt werden.
  • Das Anmeldeverfahren ist inzwischen einfach und übersichtlich. Die Einzelheiten finden sich auf der Webseite Ihrer regionalen Ärztekammer.
  • Die grundsätzlichen Regelungen sind in den „Empfehlungen zur ärztlichen Fortbildung“ der BÄK dargestellt.
  • Die Teilnehmerlisten müssen nach der Veranstaltung an die Ärztekammer übermittelt werden.
  • Ausgabe einer Teilnahmebescheinigung mit vorgegeben Angaben.
  • Eine Lernerfolgskontrolle ist fakultativ.
  • Eine Evaluation der Veranstaltung durch die Teilnehmer ist dagegen obligatorisch.

Übernachtung

  • Für anreisende Referenten sollte ein geeignetes Hotel organisiert werden. Im Sinne der Kostenkontrolle gilt: Charme schlägt Luxus.
  • Wenn Sie mit überregionalen Teilnehmern rechnen, ist es sehr entgegen kommend, günstige Übernachtungsmöglichkeiten im Programm oder über einen Link auf Ihrer Homepage zu nennen. Teilnehmer übernehmen die Kosten natürlich selbst.

Rahmenprogramm

  • Aufwendige Rahmenprogramme mit exklusivem Essen, Opernbesuch und Lounge-Empfang sind in erster Linie eine Erfindung der Pharmaindustrie, um Ärzte in ihre versteckten Verkaufsveranstaltungen zu locken.
  • Ein Rahmenprogramm ist oft nicht notwendig, kann aber gerade bei mehrtägigen Veranstaltungen den angeregten Austausch fördern.
  • Gestalten Sie Ihr Rahmenprogramm einfach und originell. Anfallende Kosten können Sie den Teilnehmern extra berechnen.
  • Sie können auch, statt selbst ein Rahmenprogramm zu gestalten, auf entsprechende kulturelle Angebote vor Ort hinweisen und es jedem Teilnehmer selbst überlassen, was er mit seiner freien Zeit anstellt. Oder Sie weisen auf ein spezielles Kulturangebot hin und bieten die Vermittlung von Eintrittskarten an.
  • Machen Sie sich im Zweifelsfall über dieses Thema keine Gedanken, niemand verpflichtet Sie, die Freizeit Ihrer Fortbildungsteilnehmer zu organisieren.

Weitere Vorschläge

Weitere Vorschläge und Kommentare an info@neurologyfirst.de