Wertschöpfung

Wirtschaft und Wissenschaft verfolgen unterschiedliche Ziele

Die Entwicklung, klinische Testung und Vermarktung von Medikamenten ist für die Pharmaindustrie ein Wertschöpfungsprozess. Auf jeder Stufe dieses Prozesses ist die Industrie auf den Erfolg des Produkts orientiert. Daher beeinflusst sie nicht nur das Design einer Studie und ihre Auswertung, sondern auch ihre Publikation und ihre Verbreitung in der Ärzteschaft. Eine Pharmafirma kann gar nicht anders, als jede ihrer Handlungen wirtschaftlichen Erwägungen zu unterwerfen – sonst würde sie Anlegergelder veruntreuen und sich strafbar machen.

Der wissenschaftliche Prozess zur Prüfung von Arzneimitteln und zur Vermittlung von Arzneimittelwissen unterscheidet sich davon fundamental. Hier geht es um die unvoreingenommene Prüfung, ein negatives Ergebnis ist wissenschaftlich ebenso bedeutsam wie ein positives. In der Kommunikation der Ergebnisse herrscht Nüchternheit statt Begeisterung, Vor- und Nachteile werden kritisch abgewogen und offene Fragen benannt. Wissenschaftlich fundierte ärztliche Fortbildung ist unabhängig und bleibt in ihren Empfehlungen zurückhaltend, da sie sich der ungeklärten Fragen und der Vorläufigkeit ihrer Erkenntnisse bewusst bleibt. Für triumphale Erfolgsmeldungen bietet sie keinen Raum.

Patienten und Öffentlichkeit erwarten, dass ärztliches Wissen über Medikamente nach den Spielregeln der Wissenschaft erhoben und verbreitet wird und nicht durch das Marketing verzerrt wird. Wie lässt sich das gewährleisten, wenn die Arzneimittelindustrie gleichzeitig in eine ganz andere Richtung strebt? Wohl nur durch starke und überprüfbare Regeln, mit denen der Vorrang der Wissenschaft vor der Wirtschaft festgeschrieben wird. Dazu gehört etwa die obligate Prüfung neuer Medikamente gegen die beste bisherige Behandlungsmethode (und nicht nur gegen Placebo), die Berichtspflicht über alle durchgeführten Studien, das Verbot einer nachträglichen Veränderung der Studienziele sowie der Ausschluss des Ghostwriting und der mehrfachen Publikation günstiger Daten. An der Erstellung klinischer Behandlungsleitlinien können Firmenmitarbeiter nicht teilnehmen, auch nicht, wenn sie Universitätsprofessoren mit einem nebenberuflichen Beratervertrag sind. Und: Für die Industrie gilt bei Kongressen und Fortbildungen das gleiche wie für die Vierbeiner vor der Metzgerei: „Wir müssen leider draußen bleiben.“