Surrogatmarker

Wenn Laborwerte gesünder werden als der Patient

Medizinische Behandlungen sollen das Leben der Patienten verbessern, also Beschwerden lindern, schweren Erkrankungen vorbeugen oder einen vorzeitigen Tod verhindern. Um aussagekräftig zu sein, muss eine klinische Studie solche Patienten-relevante Endpunkte messen. Nicht alles in der Medizin lässt sich jedoch direkt messen. Beispielsweise kann das subjektive Erleben von Schmerz oder Angst schlecht quantifiziert werden, so dass ersatzweise der Schmerzmittelverbrauch oder die Herzfrequenz als Parameter eingesetzt wird. Oft werden Surrogatparameter aber nur deshalb herangezogen, weil sie schneller und einfacher zu messen sind als klinisch relevante Endpunkte. Zudem lassen sie sich meist medikamentös besser beeinflussen als das, was für Patienten wirklich zählt. Das gilt insbesondere für Risikofaktoren, die mit bestimmten Erkrankungen assoziiert sind, ohne dass eine Ursache-Wirkungsbeziehung gesichert ist.

Das naive Vertrauen auf die erfolgreiche Beeinflussung von Surrogatparametern kann tödlich sein. So glaubte die kardiologische Welt jahrelang an den Segen von Klasse 1c-Antiarrhythmika, weil diese ventrikuläre Arrhythmien nach Herzinfarkt effektiv unterdrücken können. Sie musste umdenken, als die CAST-Studie zeigte, dass Behandelte häufiger an einem plötzlichen Herztod starben als Plazebo-Empfänger.1 Einen ebenfalls tödlichen Irrglauben umgab auch Rosiglitazon, das den HbA1c-Wert besser senkt als Metformin oder Sulfonylharnstoffe. Dennoch führte Rosiglitazon häufiger zu kardialen Komplikationen als andere Antidiabetika.2 Die Herstellerfirma GlaxoSmithKline musste für das jahrelange Verschweigen dieser Patienten-relevanten Endpunkte (und einiger anderer Vergehen) 2012 in den USA die höchste jemals verhängte Strafe für ein Pharmaunternehmen zahlen: 3 Milliarden Dollar.

Übrigens: In seriösen Studien wird die Verwendung von Surrogatparametern offen thematisiert, in manipulativen Studien wird sie dagegen diskret unter das Sofa gekehrt.

1. Echt DS, Liebson PR, Mitchell LB, et al. Mortality and morbidity in patients receiving encainide, flecainide, or placebo. The Cardiac Arrhythmia Suppression Trial. N Engl Med 1991; 324: 781–788

2. Rosen CJ. The Rosiglitazone Story – Lessons from an FDA Advisory Committee Meeting. N Engl J Med 2007; 357: 844-846