Stiftung Warentest

So geht Unabhängigkeit

Wer eine neue Waschmaschine braucht, informiert sich bei der Stiftung Warentest. Wer als Arzt das beste Medikament für eine Erkrankung sucht, konsultiert die Behandlungsleitlinien der zuständigen medizinischen Fachgesellschaft. Beide Institutionen haben eine vergleichbare gesellschaftliche Funktion: die professionelle und unabhängige Bewertung von Produkten, abseits von kommerziellen Interessen. Um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten, scheut die Stiftung Warentest auch vor ungewöhnlichen Maßnahmen nicht zurück.1 Die Identität der Prüfingenieure bleibt ebenso geheim wie die Namen und Orte der Testlabore. Dass ein Prüfingenieur der Stiftung Warentest gleichzeitig für einen Hersteller tätig wird, ist undenkbar, ebenso wie jede Annahme von Geld, Reisen oder Essenseinladungen. Holger Brackmann, Leiter der Abteilung Untersuchungen bei der Stiftung Warentest: „Wir müssen verhindern, dass die Industrie auch nur auf die Idee kommt, Einfluss auf die Arbeit des Labors zu nehmen“.1 Denn dann stünde die Glaubwürdigkeit der Stiftung auf dem Spiel. Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs von 1975 muss die Stiftung ihre Tests „neutral, objektiv und sachkundig“ durchführen. In den 49 Jahren ihres Bestehens ist ihr das offenbar gelungen. Noch nie hatte ein Hersteller Erfolg, wenn er die Objektivität des Testinstituts gerichtlich anzweifeln wollte.

Medizinische Leitlinien-Kommissionen haben eine schwierigere Ausgangslage, da sie keine eigenen Untersuchungen durchführen können, sondern sich auf mehrheitlich Industrie-gesponserte Studien verlassen müssen, die oft bereits ein Bias zugunsten des Produkts in sich tragen.2 Dieser Nachteil muss durch die Unabhängigkeit der Leitlinien-Kommissionen austariert werden. Weltweit sind Kommissionsmitglieder jedoch oft selbst in die zu bewertenden Studien involviert und den Arzneimittelherstellern durch Beratungstätigkeiten langjährig verbunden. Auch wenn sie sich um Neutralität bemühen mögen, schaden diese Verflechtungen der Glaubwürdigkeit der Leitlinien. Daher sollen nach den Richtlinien der AWMF Ärzte, die mit den Herstellern der zu prüfenden Medikamente Beziehungen unterhalten, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden. Unsere Patienten werden es schätzen, wenn ihre Medikamente eines Tages ebenso neutral bewertet werden wie ihre Haushaltsgeräte.

  1. Kuhr D. Größte Geheimhaltung. Süddeutsche Zeitung, 4. April 2013.
  2. Lundh A, Sismondo S, Lexchin J, Busuioc OA, Bero L. Industry sponsorship and research outcome. Cochrane Database 2012, Issue 12