Publikationsbias

Wenn unvorteilhafte Studien unter Verschluss bleiben

Als Bias werden systematische Verzerrungen von Studienergebnissen bezeichnet. Ein Bias kann bei sorgfältigem Lesen von Studien oft erkannt werden, beispielsweise wenn ein Vergleichsmedikament zu niedrig dosiert wurde, um das Studienmedikament vorteilhaft erscheinen zu lassen. Wenn jedoch Studiendaten gar nicht erst publiziert werden, bleibt der Bias verborgen. Unveröffentlicht bleiben meist negative Studienergebnisse, etwa wenn Wissenschaftler und Herausgeber medizinischer Zeitschriften sie für weniger wertvoll halten. Häufig entscheiden jedoch auch Pharmafirmen, negative Studiendaten zurückzuhalten.Aufsehen erregte eine Analyse von 74 Studien, die bei der amerikanischen FDA zur Zulassung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern eingereicht worden waren.1 Die 38 positiven Studien wurden mit einer Ausnahme in der akademischen Literatur publiziert. Die 36 negativen oder uneindeutigen Studien wurden – mit drei Ausnahmen – entweder nicht publiziert (22 Studien) oder in der Publikation positiv uminterpretiert (11 Studien).

Das selektive Publizieren positiver Ergebnisse ist gängige Praxis in der Medizin (Studienübersicht bei Goldacre2). Damit werden Therapieeffekte systematisch überbewertet und Nebenwirkungen unterschätzt. Ein einzelner Arzt kann nicht mehr beurteilen, ob ein erfolgreich getestetes Medikament tatsächlich gut wirkt oder ob einfach die Hälfte der Daten unterschlagen wurde. Damit weiß er oft nicht, ob er einem Patienten mit seiner Verordnung nützt oder schadet. Dem Arzt wäre geholfen, wenn die Daten wenigstens den Zulassungsbehörden (FDA, EMA) zur Verfügung stünden oder den Institutionen, die Studien zusammenfassend bewerten (Cochrane, NICE, IQWiG). Oft fehlen die Daten jedoch auch an diesen entscheidenden Stellen, wie das Beispiel des Grippemittels Oseltamivir zeigt.3

  1. Turner EH, Matthews AM, Linardatus E et al. Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. NEJM 2008; 358: 252-60.
  2. Ben Goldacre. Bad Pharma, Kap. Missing data. Fourth Estate, London 2012, p. 1-99.
  3. www.bmj.com/tamiflu