Neu auf dem Buchmarkt: Fahmy Aboulenein’s „Die Pharma-Falle“
(14.06.2016)
Was gibt es nach Ben Goldacre’s „Die Pharmalüge“ und Peter Gøtzsches „Tödliche Medizin und organisiertes Kriminalität“ über die manipulativen Praktiken der Pharmaindustrie noch zu enthüllen? Vielleicht die Banalität der alltäglichen Korruption im Medizinbetrieb, die Selbstverständlichkeit, mit der Pharmavertreter in Kliniken ein und aus gehen und die Biegsamkeit von angesehenen Ärzten und Wissenschaftlern, die Beraterverträge mit der Industrie unterhalten und sich in Hochglanzbroschüren Marketingsprüche unterschieben lassen.
Fahmy Aboulenein ist habilitierter Neurologe und MS-Spezialist, der eine Spezialambulanz in Wien leitet. In seinem jüngst erschienen Buch „Die Pharma-Falle“ zeigt er, was in Sprechzimmern gesprochen wird, wenn der letzte Patient gegangen und der Pharmavertreter gekommen ist. Schon im Vorfeld kennen die Pharmareferenten das Persönlichkeitsprofil des Arztes und wissen, wie häufig er welches Medikament tatsächlich verordnet. Unter vier Augen werden dann alle Register gezogen: Überzeugende Studiendaten aus Top-Journalen als pseudo-wissenschaftliche Umrahmung, Reiseangebote, die umso opulenter ausfallen, je häufiger der Arzt das Firmenprodukt verordnet, schmeichelhafte Einladungen, als Berater der Firma aktiv zu werden und immer wieder abwiegelnde Sprüche, um moralische Bedenken zu zerstreuen.
Aboulenein nimmt den Leser mit auf die Ärztekongresse, zu den Advisory Board Meetings und in die Redaktionsstuben wissenschaftlicher Journale, um die allgegenwärtigen Übergriffe des Pharmamarketings auf die ärztliche und wissenschaftliche Unabhängigkeit kenntlich zu machen. Nach diesem Blick hinter die Kulissen wird es schwer sein, die verbreitete finanzielle Verflechtung von Ärzten und Industrie als „notwendige Kooperation im Sinne des Patienten“ zu legitimieren. Wir hoffen auf eine lebhafte Debatte auch innerhalb der deutschsprachigen Neurologie!