Freibier-Berufsordnung

Die Misere der unabhängigen Fortbildung

Die professionelle Selbstregulierung der Ärzteschaft ist Aufgabe des deutschen Ärztetags, der die ärztliche Musterberufsordnung beschließt und fortentwickelt. Zur Annahme von Pharmageldern führt die Berufsordnung in §32 aus: „Die Annnahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe ist nicht berufswidrig, sofern diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildung verwendet werden. Der für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung gewährte Vorteil ist unangemessen, wenn er über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht.“Zum gleichen Thema bestimmt das Sozialgesetzbuch V in §95d: „Der Facharzt ist verpflichtet, sich…fachlich fortzubilden…Die Fortbildungsinhalte…müssen frei von wirtschaftlichen Interessen sein.“2

Dass pharmafinanzierte Fortbildungen wirtschaftlichen Interessen folgen, ist jedoch offenkundig und gehört zum deklarierten Selbstverständnis des Pharmamarketings.3 Die Subventionierung durch die Industrie verschafft dabei der interessengeleiteten Fortbildung einen Vorteil gegenüber den unabhängigen Angeboten, denn wenn es etwas umsonst gibt, bleibt der Zulauf nicht aus. Das ist wie Freibier auf dem Oktoberfest: schön für die Besucher, nur die Wiesn-Wirte gehen pleite. Dass die Selbstverwaltung der deutschen Ärzte dem Pharmamarketing Vorfahrt gewährt, ist nicht länger akzeptabel. Der deutsche Ärztetag sollte die Industrie-Finanzierung von Kongressreisen nicht mehr zulassen, so wie es die niedersächsische Landesärztekammer bereits getan hat. Ebenso könnte der Gesetzgeber nach dem Vorbild Norwegens die Annahme von Pharmageldern zu ärztlichen Fortbildungszwecken beenden.

  1. www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.100.1143#B41
  2. www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/05/index.php?norm_ID=0509504
  3. Schwetzel J. Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte: Marketinginstrument für Pharmaunternehmen. Diplomica, Hamburg 2010.