Divestment
Die finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie lösen…
Ärztliche Fachgesellschaften stehen immer häufiger vor einem Dilemma: Einerseits brauchen sie unabhängige Leute in ihren Spitzenämtern und Leitliniengruppen, andrerseits haben gerade ihre profilierten Vertreter vielfältige Verbindungen zur Pharma- und Medizingeräteindustrie. Dazu gehören Beraterverträge und gut honorierte Vorträge bei Fortbildungsveranstaltungen. Einen Ausweg bietet das sogenannte Divestment, also das Lösen der eingegangenen finanziellen Verbindungen.
Während das Divestment hierzulande noch ungläubiges Stirnrunzeln auslöst, ist es in den USA schon gängige Praxis. Wer dort ein Führungsamt in einer Fachgesellschaft übernimmt, muss auf Nebeneinkommen aus der Industrie verzichten – so regelt es der Code for interactions with companies, der für die großen medizinischen Fachgesellschaften verbindlich ist.1 Davon unberührt bleiben Forschungskooperationen mit der Industrie, die über transparente Drittmittelkonten verwaltet werden. Auch solche Forschungskooperationen können zu Befangenheiten führen, wiegen als Interessenkonflikte jedoch weniger schwer.
Auch den amerikanischen Leitlinienautoren wird zum Divestment geraten, und zwar vom renommierten Institute of Medicine der American Academy of Sciences.2 Das entsprechende Dokument heißt Clinical guidelines we can trust und verbindet durch diesem Titel die finanzielle Unabhängigkeit der Autoren mit der Glaubwürdigkeit einer Leitlinie. Deutsche Ärztevertreter verspotten die amerikanischen Regeln oft als puritanisch und ungeeignet. Vermutlich würde jedoch keiner von ihnen einen Anwalt engagieren, der gleichzeitig Nebeneinkünfte vom Verfahrensgegner bezieht.
- cmss.org/uploadedFiles/Site/CMSS_Policies/CMSS%20Code%20for%20Interactions with%20Companies%20Approved%20Revised%20Version%203-19-11CLEAN.pdf
- nationalacademies.org/HMD/~/media/Files/Report%20Files/2011/Clinical-Practice-Guidelines-We-Can-Trust/Clinical%20Practice%20Guidelines%202011%20Insert.pdf