Design Bias

Unfair angelegte Arzneimittelstudien liefern die gewünschten Ergebnisse

Wissenschaftliche Studien achten auf faire Testbedingungen. Industriegeförderte Arzneimittelstudien sind zugleich auf den Erfolg des eigenen Präparats orientiert, ein klassischer Zielkonflikt. Schon in der Anlage der Studien werden dabei oft die Regeln der wissenschaftlichen Fairness verletzt. Die häufigsten Regelverstöße:

  1. Vergleich gegen Placebo, obwohl bereits eine wirksame Behandlung existiert. Gegen eine Scheinsubstanz ohne Wirkstoff sehen selbst schwache Arzneimittel gut aus. Der Placebovergleich ist in diesem Fall nicht nur wissenschaftlich bedenklich, sondern auch ethisch nicht zu rechtfertigen, da den Studienpatienten eine wirksame Behandlung vorenthalten wird. Beispielsweise wurden mehrere neue Medikamente gegen Multiple Sklerose für die Zulassung gegen Placebo getestet. Und das in armen Ländern, wo die Patienten ihre Hoffnung in die Studienmedikamente setzten, um überhaupt eine Behandlung zu bekommen.
  2. Fehldosierung des Vergleichsmedikaments. Um gegen eine aktive Vergleichssubstanz zu gewinnen, kann diese einfach zu niedrig dosiert werden. Dann erscheint das Testmedikament wirksamer. Als würde man einen Schwergewichtsboxer gegen ein Fliegengewicht antreten lassen. Wenn umgekehrt die bessere Verträglichkeit gezeigt werden soll, wird das Vergleichsmedikament zu hoch dosiert.
  3. Testung an selektierten Patienten. Studienpatienten sind oft jünger und gesünder als die Patienten, denen das Medikament nach der Marktzulassung verordnet wird. Zudem haben sie oft weniger Begleitmedikamente, die zu Wechselwirkungen führen. Daher vertragen sie die Studienmedikation besser, so dass die Nebenwirkungen unterschätzt werden.
  4. Entblindung durch Nebenwirkungen. Die Gewissheit, ein wirksames Medikament zu erhalten, steigert dessen Wirkung. Anhand der Nebenwirkungen, über die vor der Studie aufgeklärt werden muss, können Patienten bisweilen erkennen, ob sie die die wirksame Substanz oder Placebo erhalten. Damit sind sie nicht mehr verblindet und tendieren dazu, die positiven Wirkungen höher einzuschätzen. Dieser Effekt kann verringert werden, wenn zwei aktive Substanzen verglichen werden.
  5. Studienabbrecher ausschließen. Gute Studien analysieren am Ende alle Patienten, die einer Behandlung per Los zugeteilt wurden, auch wenn sie diese Behandlung gar nicht oder nicht vollständig erhalten haben. Dieses Verfahren heißt Intention-to-treat-Analyse. Was erstmal widersinnig klingt, wird plausibel, wenn man sich klar macht, wer die Behandlung meist nicht bis zum Ende durchhält: die Studienabbrecher, die das Medikament schlecht vertragen. Lässt man sie unberücksichtigt, erscheint das Studienmedikament besser verträglich als es in Wirklichkeit ist. Dieses gängige, aber bedenkliche Vorgehen nennt man Per-Protocol-Analyse.1

Da es die Firmen selbst sind, die das Studiendesign festlegen, werden diese Techniken oft bewusst eingesetzt, um den Erfolg des eigenen Präparats zu sichern. Die durchführenden Ärzte widersprechen in den seltensten Fällen, weil sie die Studiengelder für ihr Forschungs- oder Personalbudget brauchen, oft 3000 bis 5000 € für jeden eingeschlossenen Patienten. Ethikkommissionen halten ebenfalls still, weil ihnen die statistische Kompetenz fehlt oder sie sich auf die universitären Wissenschaftler verlassen. Auch renommierte Fachzeitschriften lassen Studien mit fehlerhaftem Design durchgehen, weil sie mit Industriestudien ihre Bedeutung und ihr Einkommen steigern. Wenn man daran etwas ändern will, kann man Arzneimittel firmenunabhängig prüfen lassen. In keinem anderen Bereich unserer Gesellschaft ist es zulässig, dass es den Hersteller überlassen bleibt, die sicherheitsrelevanten Daten zu liefern. Woher das Geld nehmen? Vielleicht von den Milliarden, die wir derzeit für unzureichend getestete, zweifelhaft wirksame und schlecht verträgliche Arzneimittel ausgeben.

  1. http://www.cochrane.de/de/cochrane-glossar#p