Replikation

 Ärzte verlassen sich zu häufig auf einzelne Studien. Wissenschaftliche Ergebnisse werden aber erst überzeugend, wenn sie durch unabhängige Forscher bestätigt werden.

John Ioannidis, Arzt und Methodiker der evidenzbasierten Medizin, überprüfte die Ergebnisse der 49 meist-zitierten klinischen Studien aus drei Top-Journalen, indem er sie mit Folgestudien verglich, die mindestens ebenso groß und methodisch gleichwertig oder überlegen waren. Bei 16% konnten die Ergebnisse nicht repliziert werden, bei weiteren 16% war die Effektstärke in den Folgestudien geringer als in der ersten Publikation, für 24% fanden sich keine vergleichbaren Studien und nur bei 44% konnten die ursprünglichen Ergebnisse repliziert werden.1

Dass etwa vier Prozent aller neu zugelassenen Medikamente nach wenigen Jahren wieder vom Markt genommen werden müssen, deutet ebenfalls auf die begrenzte Verlässlichkeit zunächst erfolgsversprechender klinischer Studien.2  Zählt man die Marktrücknahmen und nachträglich angeordnete Warnungen vor schweren Nebenwirkungen  zusammen, so kommt man bei neu zugelassenen Substanzen auf 23%. 3

In den Grundlagenwissenschaften ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse noch geringer als bei klinischen Studien, auch wegen der oft geringen Fallzahlen bei Tierversuchen und der Neigung, negative Studien in der Schublade verschwinden zu lassen.Inzwischen haben Wissenschaftsorganisationen erkannt, dass koordinierte Anstrengungen zur Replikation von Schlüsselstudien nötig sind, um das Vertrauen in den wissenschaftlichen Prozess wiederzugewinnen.

In der klinischen Forschung gibt es allerdings bislang kaum öffentliche Gelder, um große Therapiestudien zu replizieren. So fehlt die unabhängige Überprüfung der oftmals verzerrten Zulassungs-Studien, die von der Industrie finanziert werden. In dieser Unsicherheit tun Ärzte und Patienten gut daran, neuen Medikamenten nicht mit Gläubigkeit, sondern mit gesunder Skepsis zu begegnen.

  1. Ioannidis JP. Contradicted and initially stronger effects in highly cited clinical research. JAMA. 2005; 294: 218-28.
  2. Lexchin J. How safe are new drugs? Market withdrawal of drugs approved in Canada between 1990 and 2009.
  3. Lexchin J. New drugs and safety: What happened to new active substances approved in Canada between 1995 and 2010? Arch Intern Med 2012; 172: 1680-81.
  4. Ioannidis J. Why most published research findings are false. PLoS Med Aug 2005; 2(8): e124