Produktzyklus

Fieberkurve des Marketing-Hypes

Neue Medikamente genießen 20 Jahre Patentschutz. Danach dürfen sie als Generika vertrieben werden und verlieren für den Originalhersteller an Wert. Die ersten Jahre des Patentschutzes werden durch die Entwicklung, klinische Testung und das Zulassungsverfahren aufgezehrt. Umso intensiver werden die verbleibenden Jahre genutzt. Vor der Zulassung darf das Medikament noch nicht beworben werden. Die ärztlichen Meinungsbildner und die Pharmareferenten thematisieren jedoch schon die zugehörige Krankheit und gewähren einen ersten Einblick in die überzeugenden Studiendaten. Ziel ist es, Aufmerksamkeit und gespannte Erregung zu erzeugen (Pharmajargon:„to create a buzz“). Der begeisterungsfähige Arzt fiebert nun der Zulassung entgegen wie ein Kind der weihnachtlichen Bescherung. In der Einführungsphase werden die Studienergebnisse zu Marketingbotschaften zugespitzt, die den potentiellen Verordner auf allen verfügbaren Kanälen erreichen. In dieser Phase neigen nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte dazu, „neu“ für „besser“ zu halten.

Naht irgendwann das unvermeidliche Ende der Patentlaufzeit, kann der Hersteller eine „Line extension“ versuchen, entweder durch juristische Schachzüge gegen die Generikahersteller oder auf galenischem Wege. So kann er beispielsweise eine neue Dosierung kreieren (z.B. Aricept 23 mg) oder eine Retardformulierung (z.B. Requip Modutab), die vorher niemand vermisst hat. Wenn der Preis dann endgültig auf das generische Niveau absackt, muss ein Nachfolgeprodukt bereitstehen. Das sollte noch besser sein als der Vorgänger, was den Entwicklungsabteilungen naturgemäß nicht immer gelingt – eine neue Aufgabe für das Marketing. Wer als Arzt einige solche Zyklen miterlebt hat, erinnert sich noch an die Inbrunst, mit der einst die alten Pharmaka gepriesen wurden, bevor sie in der Versenkung verschwanden. Dabei waren – ebenso wie im aktuellen Sortiment – einige davon sogar ganz nützlich.