Pharmareferenten

Unser Gesundheitswesen leistet sich einen weitgehend nutzlosen Berufszweig. Und jeder Versicherte zahlt mit.

Überall mangelt es an medizinischem Personal. Es fehlen Hausärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger und viele andere Kräfte. Gleichzeitig finanziert die Gemeinschaft der Versicherten eine Schattenarmee, die mehr Schaden als Nutzen anrichtet: 12.000 Pharmaberater, die jährlich 2,5 Milliarden € kosten. Ihre Aufgabe ist es, Ärzte zum Verordnen der beworbenen Medikamente zu bewegen, um Versichertengelder in die Kassen ihrer Konzerne zu lenken.

Ärzte geben unumwunden zu, dass sie Pharmareferenten als lästig empfinden, da sie bei der Arbeit stören. Dass die meisten dennoch Vertreter empfangen, liegt an den kleinen und großen Vergünstigungen, die sie von ihnen erhalten: die schnelle Information über ein neues Medikament zwischen Tür und Angel, Kulis und Kalender, Hilfe bei der Organisation einer Fortbildung, Info-Material für Patienten, Einladungen zu kulinarisch gestützten Abendveranstaltungen bis zur Finanzierung von ganzen Kongressreisen. Der Kongresstourismus wird nach Verordnungsvolumen gestaffelt. So dürfen mittelmäßige Verschreiber zum nationalen Kongress, Top-Verordner dagegen auch mal nach Amerika. Die Firmen beobachten das Verordnungsverhalten der besuchten Ärzte, indem sie über spezialisierte Unternehmen Apothekendaten abschöpfen.1 Der damit verbundenen Überwachung liefern sich die Ärzte recht unbekümmert aus.

Neue Medikamente legt der Vertreter gerne als sogenannte Ärztemuster auf den Tresen. Sie sollen den Arzt mit dem Produkt vertraut machen, das er dem nächsten Patienten gleich mitgeben kann. Die Weiterverordnung ergibt sich dann. Noch wirksamer sind die Anwendungsbeobachtungen. Dabei handelt es sich häufig um einen Marketingtrick, der als wissenschaftliche Studie daherkommt. Der Arzt verschreibt ein neues Medikament und erhält für das Ausfüllen eines kurzen Fragebogens ein überhöhtes Honorar von bis zu 1000 €. Ärzte und Patienten werden so an das neue Präparat gewöhnt, die Ergebnisse werden fast nie in wissenschaftlichen Journalen publiziert.

Erfolgsorientierte Prämien sollen die Pharmareferenten motivieren. Daher können sie nicht daran interessiert sein, Nutzen und Risiken der beworbenen Medikamente ausgewogen darzustellen. Vielmehr arbeiten sie daran, Ärzte durch die Halbwahrheiten des Marketings von der wissenschaftlichen Evidenz zu entkoppeln. Der Nutzen des Patienten bleibt außen vor. Wäre es nicht viel besser, das Potenzial dieser medizinisch verständigen Menschen da zu entfalten, wo es wirklich gebraucht wird? Aber wie schafft man einen ganzen Beruf ab?

  1. Pillendreher als Datendealer. Der Spiegel 34 / 2013; 118-119.