Motivierte Evaluation

Ein Mechanismus für den inneren Frieden

Interessenkonflikte müssen nicht nur sozial, sondern auch intrapsychisch gelöst werden.1 Dabei „hilft“ uns der Mechanismus der motivierten Evaluation, also der unbewussten Bewertung von Informationen gemäß unserer Interessenlage. Stellen Sie sich vor, Sie hätten mehrfach von einer Firma Honorare für Vorträge, Reisen und Mitarbeit in einem Advisory Board bekommen, jeweils im Zusammenhang mit einem bestimmten Medikament. Jetzt sollen Sie das Medikament in einer Übersichtsarbeit oder einer Leitlinie bewerten. Wenn es sich um ein schlechtes oder mittelmäßiges Medikament handelt, droht bei positiver Bewertung die kognitive Dissonanz, also das ungute Gefühl, das entsteht, wenn Überzeugung und Aussagen auseinander klaffen. Eine negative Bewertung würde dagegen die Regel der Reziprozität verletzen – die Verpflichtung zur Gegenleistung für erhaltene Wohltaten. Die motivierte Evaluation, also die unbewusste Selektion und Betonung guter Eigenschaften des Medikaments, schützt vor kognitiver Dissonanz, so dass Sie das Medikament nach bestem Wissen und Gewissen positiv bewerten können. Das trügerische Gefühl der Objektivität wird als „Bias blind spot“ bezeichnet und wurde in der Medizin vielfach nachgewiesen.1

P.S.: Die Kehrseite der „motivierten Evaluation“ ist der „motivierte Skeptizismus“, der mitunter in (unseren) pharmakritischen Köpfen nistet.

  1. Felser G, Klemperer D. Psychologische Aspekte von Interessenkonflikten. In: Lieb K, Klemperer D, Ludwig K: Interessenkonflikte in der Medizin. Springer, Berlin, 2011. S. 27-45.