Innovation

Wie neu ist neu? Wie gut  ist neu?

Immer wieder rechtfertigt die forschende Arzneimittelindustrie ihre einzigartigen Gewinnmargen von 15-20% mit ihrem Innovationspotential. Doch wie innovativ ist diese Industrie tatsächlich?

Im Zeitraum 1998 – 2002 wurden von der amerikanischen FDA 415 neue Medikamente zugelassen. Davon waren 68 Prozent Me-Too-Präparate, also hochpreisige Nachahmer ohne Innovationswert. Bei den übrigen 32 Prozent handelte es sich tatsächlich um neue Molekülvarianten. Nur 14 Prozent waren jedoch aus FDA-Sicht echte Innovationen, was daran erkennbar ist, dass sie das sogenannte Priority Review-Verfahren durchliefen.1 Auch solche echten Innovationen bieten jedoch häufig keinen therapeutischen Vorteil gegenüber älteren Substanzen. Beispiel Antihypertensiva: die bislang umfassendste Untersuchung zu Hochdruckmedikamenten war die ALLHAT-Studie mit über 42.000 Patienten. Sie wurde öffentlich durch das amerikanische National Institute of Health finanziert und verglich drei Substanzen: einen Calcium-Antagonisten, einen ACE-Hemmer und ein Thiazid-Diuretikum. Am besten schnitt der Oldtimer ab, das Diuretikum. Bei gleichwertiger Blutdrucksenkung wurden darunter die meisten Komplikationen des Hochdrucks wie Herzinsuffizienz und Schlaganfälle vermieden.2

Offenbar herrscht in der Arzneimittelindustrie ein anderer Innovationsbegriff als in der übrigen Wirtschaft. Oder was würden Sie sagen, wenn die Autoindustrie alle neuen Modelle zu Preisen der Premiumklasse anböte und dann nur mit Technologie und Leistung der 60iger Jahre dienen könnte? Dass dies bei Medikamenten möglich ist, zeugt von einem Marktversagen im Arzneimittelsektor. Viele neue Präparate setzen sich nicht durch Qualitäts- oder Preisvorteile gegenüber älteren durch, sondern durch leicht zu erbringende „Nichtunterlegenheitsstudien“ oder Placebo-kontrollierte Studien. Zum Blockbuster werden sie dann durch ihren weltweiten Patentschutz, der ein jahrelanges Monopol garantiert, und ein Marketing, das eng mit der ärztlichen Fortbildung verwoben ist.

  1. Angell M. The truth about drug companies. (Paperback edition). Random House, New York, 2005. S. 54.
  2. The ALLHAT Officers and Coordinators for the ALLHAT Collaborative Research Group. Major outcomes in high-risk hypertensive patients randomized to Angiotensin-converting enzyme inhibitor or calcium channel blocker vs. diuretic. JAMA 2002; 288: 2981-2997.