Evergreening

Fünf faule Tricks, um auslaufende Arzneimittelpatente zu verlängern

Arzneimittel werden durch Patente geschützt, die 20 Jahre gelten. Damit sollen dem Unternehmen, das den Wirkstoff entwickelt und getestet hat, die Forschungskosten refinanziert werden. So kann die Arzneimittelfirma als Monopolanbieter einen hohen Preis durchsetzen, bevor sie nach dem Ablaufen des Patents der Konkurrenz durch preisgünstige Präparate mit dem gleichen Wirkstoff, den sogenannten Generika, ausgesetzt ist. Um diesem Preisverfall auszuweichen und die hohen Gewinnmargen der Originalpräparate zu sichern, wird die Trickkiste der Schein-Innovationen geöffnet: 1

1. Retardpräparate. Medikamente mit verzögerter Freisetzung des Wirkstoffs können helfen, einen gleichmäßigen Wirkspiegel zu erhalten. Wenn ein Retardpräparat just zum Ende der Patentlaufzeit herauskommt – und zuvor jahrelang nicht gebraucht wurde – dann geht es wohl eher um die Vermarktung als um die Gesundheit.

2. Stereoisomere. So nennt man die spiegelbildlichen Molekülvarianten einer Substanz, die sogenannte rechtsdrehende und linksdrehende Form. Viele Medikamente sind zunächst ein Gemisch aus beiden Varianten, oft besteht zwischen ihnen kein Wirkunterschied. Ein Arzneimittel mit auslaufendem Patent kann durch die isolierte rechts- oder linksdrehende Variante ersetzt werden, das dann als neues und überlegenes Präparat angepriesen wird. So wurde etwa der Säureblocker Omeprazol (Antra®) durch Esomeprazol (Nexium®) ersetzt, ein Milliardengeschäft – ohne zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen.

3. Geringe Veränderungen der Molekülstruktur. Hier entfällt die aufwendige Entwicklung eines neuen Wirkstoffs. Kosten verursachen nur die klinischen Studien und das Zulassungsverfahren.

4. Veränderte Dosierung. Das Alzheimer-Medikament Donepezil wurde jahrelang in einer Dosierung von 5 mg und 10 mg angeboten. Zum Ende des Patents kam eine 23 mg-Variante hinzu – mit neuem Patentschutz. Diese Dosierung ist nicht medizinisch, sondern nur ökonomisch nachvollziehbar, weil sie nicht durch Generika zu  5 oder 10 mg ausgetauscht werden kann. Dass diese hohe Dosierung schlecht vertragen wurde, hielt die Aufsichtsbehörde FDA nicht von der Zulassung ab.

5. Kombinationspräparate. Ein Wirkstoff wird in fester Kombination mit einem anderen in einer Tablette verpackt, auch wenn diese Kombination medizinisch wenig hilfreich ist.

Patente setzen die Marktmechanismen zeitlich begrenzt außer Kraft. Sie sollen Innovationen fördern und müssen von der Allgemeinheit durch höhere Preise bezahlt werden. Mit Tricksereien zur Verlängerung von Patenten bereichern sich Pharmakonzerne auf Kosten der Allgemeinheit: Elefanten in der sozialen Hängematte. Einige Länder wie Kanada und Australien haben bereits Regulierungen gegen die Evergreening-Strategien eingeführt. 2

  1. Aus Alt mach neu. Mehr Profit durch Evergreening-Strategie. Gute Pillen – schlechte Pillen. (Unabhängige Arzneimittelinformationen für Patienten), 2014; 3: 9-10.
  2. http://en.wikipedia.org/wiki/Evergreening