Europarat fordert Regeln für Interaktionen der Pharmaindustrie mit dem Gesundheitswesen

(20.10.2015) Mit einer überwältigenden Mehrheit von 118 zu acht Stimmen (bei sieben Enthaltungen) befürwortete die Parlamentarische Versammlung des Europarats am 29.9. neue Verhaltensregeln für die Arzneimittelindustrie. Das Gremium setzt sich aus entsandten Parlamentariern seiner 47 Mitgliedsländer zusammen. Auch wenn die Entschließung keine bindende Kraft hat, spiegelt sie einen Konsens, der sich über die politischen Lager hinweg formiert. Die Resolution erkennt den Beitrag der Industrie zur Gesundheitsversorgung an und spricht gleichzeitig die vielen ungelösten Probleme an. Dazu gehört insbesondere die Sorge vor hochpreisigen patentgeschützten Arzneimitteln, die oft keine Verbesserung bringen und für viele Gesundheitssysteme nicht mehr finanzierbar sind.

Im Einzelnen fordert der Europarat:

  • Schon in der medizinischen Ausbildung soll über Praktiken der Einflussnahme der Pharmaindustrie aufgeklärt werden,
  • Unabhängige Fortbildung soll durch eine Abgabe auf alle Marketingaktivitäten der Pharmaindustrie finanziert werden,
  • Alle Verbindungen der Industrie zu Personen und Institutionen des Gesundheitswesens müssen transparent sein,
  • Interessenkonflikte von Experten, die den Gesundheitsbehörden zuarbeiten, müssen offengelegt werden. Falls relevante Interessenkonflikte vorliegen, müssen Experten von Entscheidungen ausgeschlossen werden,
  • Die Definitionen von Krankheiten und die Schwellen zur medizinischen Behandlung, müssen im Interesse der individuellen und der öffentlichen Gesundheit festgelegt werden und nicht nach Profitaspekten,
  • Der berufliche Wechsel von Aufsichtsbehörden in die Pharmaindustrie und umgekehrt soll streng reguliert werden,
  • Patientenorganisationen sollen vermehrt öffentlich finanziert werden, um die Abhängigkeit von der Industrie zu verringern,
  • Die tatsächlichen Forschungskosten der Pharmaindustrie sollen (anders als bisher) offengelegt werden,
  • Der Bedarf an neuen Behandlungsmaßnahmen und ihr Zusatznutzen muss in den Zulassungsverfahren deutlich gemacht werden,
  • Daten aus klinischen Studien müssen vollständig publiziert werden,
  • Wirksame ältere Medikamente sollten im Zweifelsfall unter Zwangslizenz hergestellt werden (gegen angemessene Zahlungen an den Lizenzinhaber),
  • Für eine Industrie-unabhängige Forschung sollen öffentliche Mittel bereitgestellt werden, um vernachlässigte Fragestellungen zu bearbeiten,
  • Der Strafrahmen für illegale Praktiken pharmazeutischer Firmen soll auf ein abschreckendes Niveau angehoben werden (orientiert am Umsatz der Firma),
  • Die WHO wird aufgerufen, Alternativen zum bisherigen System der patentgestützten Arzneimittel zu entwickeln, um die Versorgung mit innovativen und bezahlbaren Medikamenten sicherzustellen.

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