Buchtipp: „Berufsethos kontra Ökonomie“ von Johannes Jörg

(15.01.2016) Johannes Jörg, Urgestein unserer Initiative NeurologyFirst, war Chefarzt und Ordinarius für Neurologie und ist seit 2011 Vorsitzender des Ethikkomitees der Kliniken Wuppertal. Mit seinem aktuellen Buch „Berufsethos kontra Ökonomie“ warnt er vor den Gefährdungen der ärztlichen Professionalität durch die Ökonomisierung und Fehlanreize im Gesundheitswesen.

Die Palette seiner Themen reicht von der deutschen Zweiklassenmedizin und der Überversorgung von Privatversicherten über die fehlende Kostentransparenz für Patienten der gesetzlichen Krankenkassen bis zur Einflussnahme von Klinikkonzernen und Pharmaindustrie auf die Fehlallokation von Ressourcen. In ärztlicher Tradition arbeitet er die Pathologien unseres Gesundheitswesens heraus, um dann Therapievorschläge zu unterbreiten, mal zurückhaltend-konservativ, viel öfter aber invasiv-chirurgisch, etwa wenn er die Abschaffung ökonomisch orientierter Bonusverträge für Chefärzte fordert.

Seine Analyse reichert Jörg mit realen Fallgeschichten aus dem deutschen Versorgungsalltag an. Natürlich bleibt Diskussionsstoff. So wird nicht jeder Jörgs Hoffnung teilen, dass Überversorgung durch eine Selbstbeteiligung von Patienten wirksam begrenzt werden kann, wenn doch die meisten überflüssigen Gesundheitsleistungen durch Ärzte und die aktuellen Vergütungsstrukturen angetrieben werden.

Hauptadressaten seiner Reformvorschläge sind glücklicherweise nicht die Patienten, sondern Ärztinnen und Ärzte, die ihre ökonomischen Sekundärinteressen reflektieren und zurückstellen müssen, um im Sinne des Patientenwohls zu handeln. Gleichzeitig appelliert er an die politischen Akteure im Gesundheitswesen, schädliche Fehlanreize zu beseitigen und Gesundheit wieder als individuelles und öffentliches Gut und nicht als Ware anzusehen.