BMJ und NEJM im Schlagabtausch: wie viel Unabhängigkeit muss sein?

(04.06.2015) Das New England Journal of Medicine (NEJM), historischer Vorreiter beim Thema Interessenkonflikte, legt den Rückwärtsgang ein. In einer Artikelserie beklagt es die Überregulierung von Interessenkonflikten. Das allgemeine Misstrauen gegen die Pharmaindustrie sei inzwischen so groß, dass eine Forschungszusammenarbeit mit der Industrie in schlechtem Licht erscheine und Industrie-nahe Forscher ausgebremst würden.1-3 In einer kämpferischen Entgegnung kritisieren nun die ehemaligen Herausgeber des NEJM diese Kehrtwende.4

Als Sprachrohr wählen sie das BMJ, das sich seit Jahren für die ärztliche Unabhängigkeit von der Industrie engagiert. Das NEJM verkenne die systematische Natur der industriellen Einflussnahme. Sie weisen die Behauptung zurück, dass Industrie-nahen Wissenschaftlern pauschal ein verzerrtes Urteil unterstellt werde. Das Konzept des Interessenkonflikts beruhe vielmehr auf dem Risiko einer Beeinflussung. Leser hätten meist keine Möglichkeit, den Grad der Verzerrung zu erkennen, daher müsse das Risiko minimiert werden. In einem begleitenden Editorial schreibt das BMJ: „Nach unserer Einschätzung hat niemand ein derart überlegenes Wissen, dass nur er oder sie allein qualifiziert wäre, einen bestimmten Artikel zu schreiben. Jedes System braucht Rollen und Regeln. Wenn es um medizinische Evidenz geht, so kann sie nicht von der gleichen Person sowohl produziert als auch bewertet werden. Manche Wissenschaftler müssen eng mit der Industrie zusammenarbeiten, um neue Behandlungen zu entwickeln. Sie sollten aber nicht gleichzeitig Editorials, Übersichten oder Leitlinien verantworten, die diese Behandlungen bewerten. Hier geht es um unterschiedliche professionelle Aufgaben, die miteinander kollidieren.“ 5

  1. Rosenbaum L. Reconnecting the dots – reinterpreting industry-physician relations. N Engl J Med 2015;372:1860-4.
  2. Rosenbaum L. Beyond moral outrage-weighing the trade-offs of COI regulation. N Engl J Med 2015;372:2064-8
  3. Drazen JM. Revisiting the commercial-academic interface. N Engl J Med 2014;372;19:1853-4.
  4. Steinbrook R, Kassirer JP, Angell M. Justifying conflicts of interest in medical journals: a very bad idea. BMJ 2015;350:h2942 http://www.bmj.com/content/350/bmj.h2957
  5. Loder E, Brizzell C, Godlee F. Revisiting the commercial-academic interface in medical journals. BMJ 2015;350:h2957 http://www.bmj.com/content/350/bmj.h2957 Editorial BMJ