Arzneimittelpreise

Kein Markt, nur Marketing

Immer häufiger wird das Gesundheitswesen zum Gesundheits- oder Wachstumsmarkt erklärt. Vor allem, wenn es etwas zu verdienen gibt. Gesundheit bleibt jedoch ein öffentliches Gut, das nicht allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet werden darf – ebenso wenig wie die Schulbildung oder die Feuerwehr. Ohnehin sind die Marktgesetze im Gesundheitswesen außer Kraft gesetzt, da die Preise nicht über Angebot und Nachfrage zwischen Anbietern und Kunden austariert werden.

Vielmehr besteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Patienten, Anbietern von Gesundheitsleistungen und Krankenkassen, das dazu einlädt, die Kosten fröhlich zu verschieben. Ärzte und Patienten haben kaum Anreize, die Ressourcen des Gesundheitswesens sparsam einzusetzen, da die Zeche von den Versicherungen gezahlt wird. Die Versicherungen wiederum können die im Einzelfall horrenden Behandlungskosten aus dem anonymen Pool der Beiträge begleichen und durch schleichend steigende Beitragssätze refinanzieren. Die Vorschrift des Sozialgesetzbuchs, dass medizinische Behandlungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssen, gerät da leicht in Vergessenheit.

Auch die Preise von Arzneimitteln haben mit Marktmechanismen wenig zu tun. Und noch weniger mit den Entwicklungskosten, die oft als Kostentreiber angeführt werden. Stattdessen orientiert sich der Preis am etablierten Niveau für die jeweilige Erkrankung und an der Häufigkeit der Erkrankung: je seltener desto teurer. Beispielsweise haben sich die Behandlungskosten der Multiplen Sklerose, einer relativ seltenen Erkrankung, in Deutschland bei 15.000 bis 25.000 € pro Jahr eingependelt, egal mit welchem Präparat therapiert wird. Selbst alte Substanzen, die neu für die MS-Therapie zugelassen werden, orientieren sich an diesem Niveau, auch wenn abgesehen von einer Zulassungsstudie keine Forschungs- und Entwicklungskosten anfallen. Durch die hohen Erlöse finanzieren sich nicht nur die branchenüblichen Gewinne, sondern auch die aufwendigen Marketingkampagnen, einschließlich Reisen, Bewirtung und Fortbildung für die zukünftigen Verordner.

Im ärztlichen Diskurs ist die wirtschaftliche Schädigung der Patienten durch überhöhte Arzneimittelpreise kein Thema. Wenn überhaupt, dann mit umgekehrtem Vorzeichen: „Für unsere Patienten ist uns das teuerste gerade gut genug“. Vielleicht wäre das anders, wenn den Ärzten bewusst wäre, in welchem Missverhältnis die heutigen Arzneimittelpreise zu ihrer eigenen Arbeit stehen: Für einen Patienten mit einer zeitaufwendigen Erkrankung bekommt der betreuende Arzt nur etwa 50 € pro Quartal, während die verordneten Medikamente, die zu Pfennigbeträgen produziert werden, gerne mal das Hundertfache kosten dürfen.