Ärztebeeinflussung durch Anwendungsbeobachtungen – Antikorruptionsgesetz auf Eis

(14.03.2016) Der Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR macht auf die korruptiven Effekte von Anwendungsbeobachtungen aufmerksam. Mit Hilfe des Presserechts konnten die Journalisten Zugang zu den Behördendaten über Anwendungsbeobachtungen von 2009 bis 2014 erlangen.1 Jährlich zahlen Pharmafirmen (und damit die Versicherten) 100 Millionen Euro an Ärzte, damit diese Daten zum Einsatz bestimmter Medikamente liefern. Durchschnittlich werden pro Patient 660,- Euro gezahlt.

Bei meist minimalem Arbeitsaufwand liegt der Verdacht nahe, dass vor allem die Verordnung des Medikaments gefördert werden soll. Schon das Design der „Studien“ macht deutlich, dass es bei Anwendungsbeobachtungen nicht sehr wissenschaftlich zugeht: die betroffenen Patienten erfahren nicht, dass sie an einer Studie teilnehmen, Kontrollgruppen fehlen, die Studien tauchen nicht in Studienregistern auf und die Ergebnisse werden fast nie in internationalen Journalen publiziert.

Derweil ist die Verabschiedung des Antikorruptionsgesetzes für das Gesundheitswesen ins Stocken geraten.2 Der ohnehin zaghafte Gesetzesentwurf, der Bestechung unter Strafe stellen soll, die verbreitete Vorteilsnahme aber straffrei lässt, wird insbesondere von ärztlichen Standesvertretern kritisiert. Das Vorhaben wird oft als „Generalverdacht gegen die Ärzteschaft“ diskreditiert. Dabei wird umgekehrt ein Schuh daraus: das Vertrauen der Patienten und der Öffentlichkeit in die Ärzte lässt sich nur wiederherstellen, wenn die Verbindungen der Industrie zur Ärzteschaft transparent und frei von kommerzieller Einflussnahme sind.

  1. http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/arzneimittel-millionengeschaeft-mit-pseudo-studien-wie-pharmafirmen-aerzte-beeinflussen-1.2898741
  2. http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/geplantes-antikorruptionsgesetz-pharma-millionen-fliessen-vorerst-weiter-1.2904353